(c)aging I

Ich sammle getragene T shirts von den Mitarbeitern des Festivals OPEN in Gouangzhou ein. In einem der Aufführungsorte des Festival, einem ehemaligen Tempel der inzwischenein Galerie ist - wir dürfen keine Performances im öffentlichen Raum zeigen-
sortiere ich gemeinsam mit der jungen Chinesin Wing das Material. Wir beginnen es in Streifen zu schneiden. Ein umgedrehter Tisch soll als Rahmen für mein neues Webstück dienen. Als das Publikum eintrifft, befestige ich die Kettfäden und begeben mich selbst in den "Käfig". Ich verschließe die Einstiegsstelle, indem ich über den Zeitraum von drei Stunden über Kopf ein Webstück anfertige. Ich kann den so entstandenen Käfig weder während der Fertigung noch nach Ferstigstellung verlassen. Das Publikum, das nach drei Stunden wiederkommt bekommt einen Zettel mit folgender Aufschrifft in die Hand.
Bitte versuchen sie die Künstlerin zu befreien ohne das Kunstwerk zu beeinträchtigen.
Es entsteht eine laute Diskussion, bis nach einer Weile ein Gast mit einem Schraubenzieher in der Hand zum Käfig der Künstlerin kommt. Er schraubt die Tischplatte vom gestell und so kann die Künstlerin heraus. Sichtbar wird nun die Unterseite des Webstückes, die ein I Ging aufweist. Der Gast, ebenfalls ein Künstler beginnt mit Einverständnis der Künstlerin das Werk zu versteigern. Bei der Versteigerung stellt sich noch einmal die Frage, was alles zum Kunstwerk gehört. Gekauft wird im Endeffekt dann das Webstück.

 
I collect worn t-shirts from the staff of the festival OPEN in Gouangzhou. In one of the venues of the festival, a former temple which is now a gallery - we are not allowed to show any performances in public space- I sort together with the young Chinese Wing the material. We start cutting it into strips. An inverted table will serve as the frame for my new weaving piece. When the audience arrives, I attach the warp threads and put myself in the "cage". I lock the entry by making a weave over head over a period of three hours. I can not leave the cage either during production or after finishing. The audience, who comes back after three hours gets a note with the following inscriptions in the hand.
“Please try to find a way for the the artist to get out without harming the art”.
There is a loud discussion until after a guest comes to the artist's cage with a screwdriver in his hand. He unscrews the tabletop from the frame and so the artist can get out. Visible now is the underside of the weave, which has an I Ching pattern. The guest, also an artist, begins to auction the work with the consent of the artist. The auction once again raises the question of what is the artwork. In the end, the weaving piece is sold.
 
Mit dieser Performance beschäftige ich mich mit der Frage:  wo sind die Grenzen von Kunst? Ist die Performancekünstlerin, die befreit werden soll, nicht auch Bestandteil ihrere Kunst? Was ist mit dem Prozess der Entstehung des Gewebes und der Befreiung? Das Publikum scheut sich den eindeutig kunstvoll gewebten Teppich zu zerstören, ist aber bereit den goldenen Käfig, der zum Besitz der Galerie gehört, ungefragt zu zerlegen? Wo sind die Grenzen von Privatbesitz und Allgemeingut? Ist (ephemere) Kunst Allgemeingut? Da im Rahmen dieses Festivals den KünstlerInnen untersagt war, im öffentlichen Raum zu performen, setzt sich die Frage nach der "Befreiung der Künstler" auch mit der aktuellen Situation in China auseinander. Wie können die Künstler Arbeiten generieren, ohne ihr Werk durch Ideologien manipuliert, ja beschädigt zu wissen?
Da die Arbeit auch im Rahmen meines "long term"- Projektes zum Thema "Altern" entstanden ist, zeige ich auch die Veränderungen und Einflüsse auf, die das Altern auf mein Werk hat. Ausschließlich performativ zu arbeiten, früher willkommener Ausdruck  für Mobilität, Freiheit und Veränderung weicht dem Bedürfnis, bleibende Objekte zu generieren, Zeichen zu setzen und Werte für die Nachwelt zu hinterlassen.
 

With this performance I deal with the question: where are the boundaries of art? Is not the “to be freed” performance artist part of her artpiece? What about the process of the creation of the weave and the liberation? The audience is afraid to destroy the uniquely woven rug, but is ready to disassemble the golden cage that belongs to the gallery? Where are the limits of private property and public property? Is (ephemeral) art public property? Since it is forbidden nowadays artists to perform in public spaces, the question of the "liberation of artists" also deals with the current situation in China. How can the artists generate works without manipulating their work through current official ideologies, without “damaging” them?
Since the work was also part of my "long term" project on aging, I also show the changes and influences that aging has on my work. To work exclusively performatively, once a welcome expression for mobility, freedom and change, gives way to the need to generate lasting objects, to set signs and to leave behind values ​​for the posterity.