Red Lion

Performance in drei Akten an drei Un-Orten.

„Ateliervergabe mit Angaben zum Lagerbedarf“- das war Inhalt der Ausschreibung vom Kulturreferat, als das neue Atelierhaus am Leonrodplatz eröffnet wurde und die Ateliers an KünstlerInnen vergeben wurden.
Ein vorher vielfach genutztes Haus, mal von der Kunstakademie, mal von den Kammerspielen, mal als Büros und Ort für Schießübungen von der Polizei. Und als Massenunterkunft für Zeitarbeiter aus östlichen Ländern. Meist Polen, Tschechen.
Und es steht auf einem Gelände, auf dem eine Kühlergrillfirma eines Juden zwangsenteignet wurde und in einem Arbeitslager Bedarfe für die kriegerischen Aktivitäten der Nazis fabriziert wurden.
 
Im Leonrodhaus sind noch Duschen aus der letzten Nutzung der Massenunterkunft für Polen zurückgeblieben. Diese wurden versiegelt. Die Armaturen rausgeschraubt, die Abflüsse verplombt und der Wasserzulauf gesperrt. Die Türen zugeschraubt. Man wollte verhindern, dass die KünstlerInnen im Haus wohnen. Dass sich BildhauerInnen auch duschen müssen, oder KünstlerInnen Zugang zu Wasser benötigen, nicht nur mittels eines kleinen Handwaschbeckens im Herrenklo, stand nie zur Debatte. Die Waschräume haben die NutzerInnen peu à peu übernommen. Die Gänge standen voll von Kunstobjekten und –materialien. Da dies aus feuerpolizeilichen und ästhetischen Gründen nicht optimal ist, nutzt man die ehemaligen Toiletten als Unterstand.
 
Diese Orte bespiele ich nun im Rahmen der Eröffnung des zum dritten Mal in Folge stattfindenden Wochenendes der offenen Ateliers im Leonrodhaus.
 
Da ich als Performancekünstlerin nicht eine Rolle spiele, sondern eine wahrhafte Handlung vollziehe, habe ich es mir zum Ziel gemacht, die Räume für eine besseren Nutzung vorzubereiten. Dafür wurden sie so vergittert, dass ich quasi eingesperrt war.

Raum 1: Der 1. Raum wurde von den KünstlerInnen zwar genutzt, aber vernachlässigt und mit  Sperrmüll vollgestellt. Ich zerstöre die Schrottmöbel, während das Publikum mich durch das Gitter begafft und die Stadträtin ihre Rede hält. Sind die restlichen Dinge geordnet, der Müll sortiert und kleingemacht, schneide ich mich aus meinem Gefängnis, um in das nächste eingesperrt zu werden.
Raum 2: Dieser Raum wurde bisher noch nicht von den Künstlern genutzt und ich zerschlage eine halb heruntergebrochen Wand, trenne Steine und Fliesen voneinander und baue von innen an das Gitter eine Wand aus Ytong Steinen. Auch hier schneide ich mich aus dem Gefängnis, vorsichtig, damit die Wand nicht einstürzt.
Raum 3: Dieser Raum wird bereits sowohl als Lager als auch als Holzbearbeitungs-werkstatt im Miniformat genutzt. Hier räume ich auf, kehre den Staub, bringe ein Regal an der Wand an und hänge drei Bilder auf. Dann ziehe ich mein Vernissagekleid an und schneide mich mit der Flex aus dem starken Gitter.
 
Ludwig Freiherr von Leonrod starb am 26.8.1944, gehängt als Naziverbrecher. Er war Sympathisant und Freund des Claus Schenk Grafen von Stauffenberg, war aber nicht aktiv an dem Attentat beteiligt, da er aus religiösen Gründen Gewissensbisse hatte.
Auf dem Gelände des Kreativquartiers gibt es ein so genanntes „fair price hostel“, ein Haus, das ein Zahnarzt von dem Kommunalreferat gemietet hat. Dort sind eben jene polnischen Wanderarbeiter untergebracht, die 20 € für die Übernachtung pro Person zahlen. Sie leben zu zwölft in jeweils Einheiten von 3 Zimmern. Im Nebenhaus leben sozial schwache Familien, welchen Obdachlosigkeit droht. Sie leben mit ihren Familien in 2 -Zimmereinheiten, manchmal mit 6 Personen und mehr. Das Sozialreferat zahlt 400 € pro Kopf (auch für Neugeborenen) an den Zahnarzt.
 
Ich möchte mit der Performance auf den Umgang mit Raum in einer Stadt wie München und besonders auf dem im Fokus stehenden Kreativquartier hinweisen.
Auch im Leonrod-Haus und sonst auf dem Gelände ist viel Raum unrecht verteilt. Es gibt nach wie vor Leerstand (im Leonrod-Haus gäbe es einen riesigen Keller und einen noch größeren Dachboden), der den KünstlerInnen weder zur Herstellung von größeren Objekten noch als Lagerfläche zur Verfügung steht. Er steht einfach leer.
Die Nutzung der leer stehenden Räume generiert sich aus dem Bedarf. Ebenso haben die KünstlerInnen bereits mit zwei Räumen im Leonrod-Haus verfahren, die seit 2011 nicht vermietet wurden. Inzwischen werden sie auf Grund ihres Einsatzes ganz offiziell vom Kommunalreferat an das Tanzbüro und das Theaterwerk München vermietet.
Durch diese künstlerische Arbeit werden Missstände publik gemacht und die Nutzung der Lagerräume öffentlich bekannt gegeben. Durch die Nutzung der Räume als Lager kommt niemand zu Schaden, die gemeinsame Nutzung fördert das Zusammenspiel der NutzerInnen im Haus.
 
So ist manchmal rebellisches Engagement und ziviler Ungerhorsam notwendig, etwas in Richtung soziale Gerechtigkeit zu bewegen. In Form einer Kunstperformance wird die Botschaft mit abstrakten Gesten und Handlungen transportiert und öffentlich gemacht und stößt möglicherweise eher auf ein offenes Ohr bei den BesucherInnen und Institutionen, die auch Einfluss auf das Geschehen auf dem Gelände Kreativquartier haben.